„Berlin braucht mehr Rheinland“ – über diesen Slogan in Verbindung mit einem übergroßen Konterfei des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz stolperte ich gestern vor meinem Büro. Als gebürtige Kölnerin und überzeugte Rheinländerin lachte mein Herz. Ich schloss die Augen, summte Melodien von Bläck Fööss, Höhnern und Brings, und begann unwillkürlich zu schunkeln. Rheinländische Gefühlsduselei in R(h)einkultur.
Doch dann hielt ich inne: „Was soll das?“ fragte ich mich. „Für welche Werte steht eigentlich das Rheinland? Und was will Schulz den Wähler*innen damit vermitteln?“
Gibt es im Rheinland mehr Gerechtigkeit? Steht das Rheinland für eine besonders soziale Politik? Gibt es hier höhere Renten, einen höheren Mindestlohn, Vollbeschäftigung, gleichen Lohn für Frauen und bessere Bildungschancen für sozial Schwache? Oder gibt es im Rheinland eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine bessere Pflege im Alter oder gar eine Bürgerversicherung in der Krankenkasse? Gibt es hier etwa weniger Steuerflucht, keine Abgasskandale und keine staatlich tolerierten Cum und Ex-Geschäfte?
Was will der Merkel-Herausforderer damit sagen? Oder will er einfach nur etwas Frohsinn und noch mehr Kölschen Klüngel in den Deutschen Bundestag bringen und das Kölsche Grundgesetz einführen?
Als Medientrainerin meine ich, dass Sie mit dem Slogan „Berlin braucht mehr Rheinland“ schlecht beraten sind, Herr Schulz. Natürlich ist es Ihre Aufgabe, kurze und einprägsame Kernbotschaften zu formulieren, das erwarten die Medien und auch die Bürger*innen von Ihnen. Aber dabei darf der Inhalt nicht auf der Strecke bleiben.
„Et hät noch immer jot jejange“?** Nein, Herr Schulz, allein mit Frohsinn gewinnt man keine Wahl.
(16.08.2017)
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* § 5 Kölsches Grundgesetz
** § 3 Kölsches Grundgesetz